Ada ada
Ihr Lieben,
lange war ich untergetaucht und konnte mir – auch recht lange – nicht recht erklären, warum. Es hat irgendwie nicht richtig zusammen gepasst. Obwohl ich mich geführt und gut aufgehoben wusste, hatte ich doch so ein seltsames Gefühl, nicht richtig „da“ zu sein. Der Alltag während und nach dem Umzug forderte und fordert mich immer noch sehr stark mit dem vielen Klein- und Großkram, der da täglich so erledigt werden will inklusive Wäsche waschen, kochen, Winterreifen organisieren, nach neuen Mitbewohnern Ausschau halten und immer schön bei mir und in meiner Mitte bleiben. Puh, das ist echt viel Leben gerade. In einem irren Tempo. Ich hatte einerseits das Gefühl, dass ich da nicht mitkomme. Andererseits jedoch konnte und kann es mir nicht schnell genug gehen und ich dachte, es passiert gar nichts mehr in meiner spirituellen Welt.
Bis heute. Heute ist ein anderer Tag. Ein Tag, den ich wahrscheinlich so schnell nicht mehr vergessen werde. Es begann schon mit einem euphorischen Hochgefühl kurz vorm Frühstück. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühlte mich unbeschreiblich glücklich. Ich hüpfte hoch und runter, als hätte ich den Jackpot im Lotto gewonnen. Ich war sooo glücklich! Mittags kam dann die Sonne raus. Es klarte auf und die Sonne schien auf diese unglaublich schöne Welt. Ich bin quasi ständig dabei, mich zu bedanken, dass ich dieses wunderbare Leben leben darf und an diesem wunderschönen Ort bin. Der Himmel war heute so blau, die Berge mit verschneiten Tannen davor und weiter unten die herbstlich gefärbten Wälder mit noch immer sattgrünen Wiesen: Ich kam mir heute vor, als ob ich im Auenland höchstpersönlich leben würde. Wow, was für eine grandiose Schönheit umgibt uns hier.
Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, dass die Schweiz so schön ist.
Ich genieße es, hier zu leben. Ich habe das Gefühl, dass hier ein ganz anderer Wind weht als in Deutschland. Und ein anderer als in Dubai sowieso. Das Bodenständige, vielleicht auch etwas konservativere empfinde ich momentan als sehr heilsam. Und auch mein Kind blüht jeden Tag mehr auf. „So soll es sein, so kann es bleiben, so hab ich es mir gewünscht…“, von Ich und Ich kommt mir da in den Sinn. Wohl wissend, dass nichts so gewiss ist wie die Veränderung. Und es ändert sich so viel. Wir alle entwickeln uns weiter, jeder in seinem Tempo, auf seine Art und Weise.
Doch oft kam es mir in den letzten Tagen und Wochen auch so vor, als wurschtelte ich mich nur so durch. Als täte ich eben nur das, was jetzt gerade von mir verlangt wurde und das war: Kisten auspacken und putzen. Nebenher ein paar Texte für meinen Kunden produzieren und im Allgemeinen die Stellung halten. Ja, ich fühlte mich als Inventar hier. Nicht im negativen Sinne, sondern als eine Art sicherer Hafen, zu dem alle immer wieder zurückkehren. Mein Mann nach der Arbeit und unser Sohn nach der Schule. Schon oft habe ich mich in meinen Meditationen wie ein Fels in der Brandung gefühlt. Doch auch ich hatte mit den Wogen, oder besser gesagt, Sturmfluten zu kämpfen, um nicht weggespült zu werden.
Der heutige Tag fühlt sich an wie die Ruhe nach dem Sturm – allerdings ohne das Aufräumen. Jedoch mit wieder aufstehen, Staub abklopfen und Flügel putzen. Und mich unendlich glücklich und frei fühlen. Christines wunderbarer Text von heute, den ich gerade eben gelesen habe, hat es dann auf den Punkt gebracht: „Willkommen, in einer Neuen Welt!“ Ganz lieben Dank dafür! Und als ich ihre Worte las, juckte es mich immer mehr in den Fingern und ich musste mich unbedingt noch hinsetzen und Euch schreiben, wie gut wir es haben, dass wir alle hier zu dieser Zeit auf Erden sind.
Ihr Lieben, ich habe Euch sehr vermisst.
Wenn ich nicht schreibe, fehlt mir etwas ganz wesentliches und ich erkenne erst so langsam, wieviel es mir bedeutet, mich Euch mitteilen zu können. Beim Auspacken der Umzugskisten ist mir auch wieder mein Horoskop-Chart in die Hände gefallen. Das ist ein 25 Jahre altes DIN A4-Blatt, was noch mit einem bunten Nadeldrucker ausgedruckt worden ist und das die Signatur von Ursula Mohr trägt. Sie war eine Freundin meiner mittlerweile verstorbenen Tante in München und ich ging noch während meines Stusiums zu ihr, um etwas über mich und meinen Weg heraus zu finden, denn ich wusste, dass das Chemiestudium irgendwie doch nicht für mich bestimmt war.
Damals bescheinigte Frau Mohr mir unter anderem einen sicheren Stil im Auftreten und dass meine Konstellation darauf schließen lasse, dass meine Kommunikation an die Gesellschaft gerichtet sei. Ich hätte den Mut und die Energie dafür. Mmmh, machte ich damals nur und dachte, naja, jeder kann sich mal irren… Hallooo? Kommunikation an die Gesellschaft gerichtet? Ja klar, dachte ich. Nur, weil ich mich für damalige Verhältnisse manchmal extravagant kleidete, hieß das nicht, dass ich vor Selbstbewusstsein strotzte. Im Gegenteil. Ich war total unsicher und brachte vor Leuten vor Aufregung kaum ein Wort heraus. Doch schon damals und sogar schon in Schulzeiten sagte man mir, dass ich eine ungeheure Ruhe und Souveränität ausstrahlen würde. Ich konnte das nicht glauben, da mir jedes Mal, wenn ich in einer Runde was sagen sollte, schier das Herz stehen blieb. So ist das mit der Eigen- und Fremdwahrnehmung.
Warum erzähle ich Euch das jetzt eigentlich alles? Vielleicht, weil ich damit sagen will, dass auch, wenn es etwas dauert, sich unser Lebensplan zeigt. Er sich langsam aber sicher herauskristallisiert. Aaah, schönes Wort. 🙂 Oft gehören dazu ein ganz langer Atem und extrem viele, vermeintliche Umwege. Tja, mit der Geduld habe ich es ja nicht so. Doch wurde mir von meinem Geistführer gerade in meiner letzten Meditation gesagt, dass ich unter anderem hier bin, um genau das zu lernen. Boah, und ich dachte, dass dieser Sommer und Herbst schon das Ende der Fahnenstange gewesen sei mit Geduld lernen. Tja, da habe ich mich wohl getäuscht und muss mich auf weitere Lektionen gefasst machen.
Wichtig scheint jetzt aber immer noch das Thema Reinigung zu sein, denn ich erhalte ganz oft Meditationen aus der zweiten Serie der Leuchtkraftmeditationen von Gabriele. So zum Beispiel die „Wanderung am Fluss zur Heilblase“, die mir eine ungeheure Geborgenheit vermittelte oder die Meditation zur „Rückholung abgespaltener Seelenanteile“. Diese Meditationen hinterließen in mir ein tiefes Gefühl von „Alles ist gut!“ „Ich bin gut.“ „Es ist für mich gesorgt“ und „Es ist OK so, wer und wie ich bin“, begleitet mit einer Empfindung tiefer Liebe und tiefen Friedens. Einfach nur *sein* zu dürfen und alle Teile von mir einfach anzunehmen, auch die, die ich am liebsten verstecken würde, ist ein sehr befreiendes und unendlich beruhigendes Gefühl.
Denn, ganz ehrlich, ich halte es auch noch ganz oft mit dem „Eisberg“ von Andreas Bourani:
„Ich zeig dir nur die weiße Spitze.
Die gute Seite, rein und klar.
Der ganze Dreck auf dem ich sitze.
Ist für dein Auge unsichtbar.“
Das ist einer meiner Lieblingssongs von ihm und ging mir schon während meiner Zeit in Dubai immer mitten ins Herz. In dem Lied heißt es weiter:
„Vielleicht wirds morgen für mich regnen.
Und irgendwann ergeb‘ ich mich.
Wenn wir uns je wieder begegnen, dann zeig ich dir mein wahres ich.
Und tief unterm Eis fühlst du dich so wie ich.
Ich steuer irgendwo da draußen immer Richtung Licht.
Ich will glänzen.
Ich will scheinen.
Und ich tu‘ als tät nichts weh.
Würd‘ dir gerne alles zeigen.
Bin ein Eisberg auf der See.
Ich werd‘ mich aus dem Wasser heben und dich mit nach oben ziehen.
Wir werden überm Eismeer schweben und zum ersten Mal verstehen.“
Deshalb auch die Überschrift des heutigen Blogs: Ada – ada. Ada ist Hindi und bedeutet halb oder Hälfte. Wenn man zum Beispiel etwas miteinander teilen möchte, fragt man sein Gegenüber: Ada ada?“ Und erntet zumeist ein zustimmendes Kopfnicken. Zumindestm wenn es etwas leckeres zum Teilen gibt. 😉 Das gefällt mir und es drückt auch ganz gut den Zustand aus, in dem ich mich (und vielleicht Ihr Euch auch?) gerade befinde. Halb hier, halb dort. Halb zufrieden, halb unzufrieden. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Vorwärts kommen wollen, abwarten müssen. Hü und Hott.
Gehen, stehen – verstehen.
Die Natur zeigt uns dann ganz einfach, wie es geht: Alles gleichzeitig sein und alles gleichzeitig können. Das geht auch! Oben weiß, unten bunt. In den ganzen letzten Tagen verfolge ich dieses Schauspiel schon sehr fasziniert, was da direkt vor meiner Haustüre passiert. Die Schneefallgrenze ist mal etwas weiter oben, mal etwas weiter unten, aber immer sieht es wunderschön aus. Es ist völlig egal, ob sie bei 500, 700 oder 1000 Metern ist: Die Natur zeigt ihr Kleid, wie es ist, auch wenn es Hälfte-Hälfte ist.
Wir können daraus lernen und uns zur Abwechslung einfach mal so zeigen, wie wir sind. Egal, was wir glauben, der Welt von uns zeigen zu müssen. Was für eine Wohltat!
In tiefer Liebe für uns alle und alles was ist verbleibe ich an diesem so wundervollen Tag – oh, ist ja schon der nächste – egal 😉
Eure Sabine